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The Vagabond Clippings 53/55

Andres Becker, Frankfurter Zeitung, Deutschland,

reprinted in Tages-Post, Linz, Österreich, October 1, 1922.

The Vagabond Scenes


„In solchen Momenten ist er wirklich ein ganz großer Schauspieler“

Editorial content.


Redaktioneller Inhalt. „Charlie Chaplin.

      Wenn Sie einmal genug haben von den Ungeheuerlichkeiten

der heutigen Filmproduktion, wenn Sie der ,Indischen

Grabmäler‘, der Zementalpen und der raffinierten Ueberpsychologie

des deutschen Films überdrüssig sind, gehen Sie getrost

in einen Chaplin-Film. Dann werden Sie das Kino wieder schätzen

lernen. Es wird Ihnen klar, was Filmkunst ist.“ (...)

      „Ein anderer Film: The Vagabond. Chaplin als umherziehender

Violinspieler. Er spielt vor einer Kneipe, wird aber durch

ein Blasorchester gestört. Aber geschickt sammelt er das Geld

ein, das eigentlich dem Blasorchester zukommt. Harmlos

bittet er auch den Leiter dieser Musikbande um ein Trinkgeld und

erhält natürlich eine mächtige Ohrfeige. Große Schlägerei

und wilde Verfolgung. Er entkommt und wandert auf der Landstraße

weiter. Nächster Schauplatz: Ein Zigeunerkarren.

Er spielt mit schmalzigen Virtuosengesten einem schmutzigen

Zigeunermädchen vor und fällt dabei oft in einen

Wasserkübel. Als nun das Mädchen von einem großen

schwarzen Kerl mißhandelt wird, wirft er sich

in eine Beschützerpose und schlägt alle Leute mit einem

Riesenholzscheit tot. Zusammen mit dem Mädchen

entwickelt sich ein komisches Wanderlebenidyll. Ja, Sie müssen

sehen, wie er das Mädchen von Schmutz und Dreck

reinigt, wie er rührend für dieses sorgt. Ein Hemd, das er kurz

vorher als als Handtuch benützt hat, dient jetzt als

Tischdecke. Die Hemdärmel legt er geschickt als Servietten

auf die Tischplatte. Und so gibt es eine Kette witziger

Einfälle! Zum Schluß wird das Mädchen als Tochter einer

vornehmen Dame wiedererkannt und im Auto

abgeholt. Charlie ist unnendlich traurig und sitzt auf der Treppe

des Zigeunerwagens, den Kopf in die Hände gestützt.

In solchen Momenten ist er wirklich ein ganz großer Schauspieler.

Es ist erschütternd, wenn er bei einem gewaltigen

Schmerz die Beine krampfhaft wie ein Frosch an den Körper

anzieht. Hier liegt vielleicht das Geheimnis seines

Erfolges. Dieser ,old fellow‘ ist im Grunde außerordentlich

rührend. Er hat immer Pech. Er stolpert über jeden

Stuhl, fällt in jedes Wasser. Sie müssen nur einmal seinen

nutzlosen Kampf mit einer Drehtür miterlebt haben.

Und wieviele Fußtritte und Ohrfeigen bekommt er! Aber trotz

aller Unglücksfälle ist er immer obenauf. Er lächelt

doch immer wieder. Er ist eben ein unverbefferlicher Optimist!

Und ritterlich ist er. Glauben Sie nicht, dass ihn die

stärksten Männer abhalten können, einer bedrängten Frau

zu Hilfe zu kommen. Dann wird er zum Helden. Wenn

er endlich am Arme der befreiten Frau als Sieger stolz abzieht,

hat er alles Mißgeschick vergessen und strahlt vor Glück.

Chaplin ist eben ein mit Blei beschwertes ,Stehaufmännchen‘, das

immer wieder in die aufrechte Haltung zurückkehrt. Er ist

eben unverbefferlich in dem Glauben an die guten Menschen,

die ihn doch stets auf den Fuß treten.

      Auch der Film The Vagabond endet mit einem Glücksstrahlen

Charlies. Denn das Mädchen zwingt das Auto unterwegs

zur Umkehr. Sie will ihren Musikanten wieder haben. Und das

Publikum freut sich mit wenn beide glückich in das Auto

stolpern.

                                         Dr. Andres Becker (Frankfurter Zeitung)“


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Chaplins Schatten

Bericht einer Spurensicherung