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The Circus Clippings 253/376

Rudolf Arnheim, Weltbühne, Berlin, February 7, 1928.

Capitol, exterior by night, sign Rudolph Valentino

Der Sohn des Scheichs, Berlin 1926, Ullstein

& Viermal Chaplin

(...) Revue des Monats, Berlin, June 1928

& Gespenster meiner Kindheit von Charlie Chaplin

(...) Uhu, Berlin, June 1928


„In aller Stille und ohne Kragen“

Editorial content.

      Grosses Schauspielhaus, Gendarmenmarkt, Berlin.

      Planned The Circus German Premiere.

      Capitol am Zoo, Budapester Strasse 42-46, Berlin.

      The Circus German Premiere.


Redaktioneller Inhalt. „Chaplin stört

      Kulturelle Ereignisse von Rang treffen den Berliner

niemals unvorbereitet, sondern allemal im Frack. Ist irgendwo

ein Geniestreich verübt worden, so fahren tausend

feingekleidete Leute am Tatort vor und geben ihre Karten

ab – Freikarten natürlich. Es wird dem Hute Referenz

erwiesen, ohne dass man gross nachsieht, was darunter

steckt, und das Nette dabei ist, man sieht sich mal,

man hört mal wieder was voneinander, man plaudert und

scherzt über dies und das, man zeigt das neue

Abendkleid oder die neue Freundin, Berichterstatterinnen

ergiessen sich ins Foyer, Berlin hat einen Elitetag.

Die grosse Pause wird von künstlerischen Darbietungen

umrahmt, und Dem, der so dargeboten wird, kann

eigentlich keine grössere Ehre passieren auf dieser Welt.

So kommt jeder zu seinem Recht: ein Essen für die

gute Gesellschaft, ein Fressen für die Presse und gleichzeitig

Dienst am Geist – praktischer ist das gar nicht

einzurichten.

      Kein Wunder, dass man beschliesst, die europäische

Uraufführung des neuesten Chaplinfilms durch eine

rauschende Galavorstellung im Grossen Schauspielhaus

zu begehen, unter der Regie des Herrn Charell und

unter der Mitwirkung von Pallenberg und der Massary.

Anschliessend: Ball. In Anbetracht der hohen

Gehaltsklasse des Gefeierten setzt man Eintrittspreise

von 75 Mark an abwärts fest. Schon hat der

Vorverkauf begonnen, schon malt sich in der Phantasie

der Veranstalter eine gesellschaftliche Sensation:

Lichterglanz, süsses Parfüm, Stimmung. Nach den Klängen

der besten Tanzkapellen Berlins wiegt sich

Wissenschaft, Kunst und Volksbildung im Tango.

Da plötzlich geschieht etwas Sonderbares.

Mitten unter den tanzenden Paaren erscheint ein zerlumptes,

pechrabenschwarzes Männchen, lugt aus ängstlich

aufgerissenen Augen um sich, schnuppert mit dem Bärtchen

und kratzt sich unanständig am Hinterkopf – ein

erbärmliches Häufchen Elend in all der Pracht. Aber was

ist los? Die glitzernden Abendkleider und die

spiegelnden Glatzen verblassen, die Jazzband verstummt,

und auf einmal steht der kleine Mann ganz allein

da. Er sieht sich um, ob sie auch alle weg sind, kramt

dann nachdenklich einen Zigarettenstummel

aus der Westentasche, haut sich an der unförmigen

Stiefelsohle ein Streichholz an, und da fällt ihm

etwas ein, er stiefelt los, die Treppe hinab, die Strasse entlang,

auf ein Postamt, nimmt ein Endchen Bleistift

und schreibt eilig ein Telegramm. An den Pressechef

der United Artists, Berlin:

      Ich höre von der beabsichtigten Veranstaltung in Berlin

      und bitte, dass sie unterbleibt, da ich keinen

      Gesellschaftsball mit meinem kleinen Film verknüpft

      haben möchte, und auch nicht will, dass

      Menschen zwanzig Dollars Eintritt bezahlen müssen,

      um mich zu sehen. Chaplin.

      Dreht sich auf dem Absatz herum, schwippt

einmal kurz mit dem Hosenboden, schwingt das Stöckchen

und verschwindet unauffällig.

      So kam es, dass im Februar des geräuschvollen

Jahres 1928 der berühmte Charlie Chaplin in aller Stille und

ohne Kragen in Berlin einzog.

                                                                 Rudolf Arnheim

      Grosses Schauspielhaus, Gendarmenmarkt, Berlin.

      Geplante deutsche The Circus Premiere.

      Capitol am Zoo, Budapester Strasse 42-46, Berlin.

      Deutsche The Circus Premiere.


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Chaplins Schatten

Bericht einer Spurensicherung