A Night in the Show Revival Poster
NEUER JOB 9/11
A Night in the Show – Mit diesem Rückgriff auf
den Bühnenerfolg seiner Amerika-Tournee
in der Music Hall gelingt Chaplin eine Filmkomödie,
die auch als Selbstzitat einmalig ist. Clippings
Fritz Hirzel, Chaplins Schatten.
Bericht einer Spurensicherung. Zürich 1982
Und nochmals, im Herbst 1910, als Chaplin mit Fred Karno‘s
Company New York erreichte und erstmals in Amerika
gastierte, war es dieses Stück, das seinen Erfolg begründete,
nachdem die Tournee mit dem aus London verordneten
The Wow–Wows, einer wortreich versponnenen Burleske über
Geheimgesellschaften, beinahe gescheitert wäre.
Allerdings trug Mumming Birds, die Burlesque Show,
die der Truppe gestattete, ihre Amerikareise auf über ein Jahr
auszudehnen, hier einen anderen, neuen Titel, A Night
in an English Music Hall.
Hier wussten die Theaterbesitzer, was sie ins Haus
bekamen: „Always A Hit“, „Always A Great Big Act“! Auf der
Bühne, schrieb 1911 The Winnipeg Tribune, in der Rolle
eines angewidert aus der Wäsche stierenden Betrunkenen, sehe Chaplin aus, als hätte er mindestens 35 Jahre auf dem Buckel.
Theater im Theater
Jede kleinste Regung seines verwandlungsfähigen Gesichts,
und sei es nur das Anheben einer Augenbraue, habe im
Publikum unkontrollierbare Ausbrüche von Gelächter zur Folge.
Es war der Erfolg dieses einen Stücks, wenn Chaplins
Name auf der Tournee über Chicago in den Westen
nach Kalifornien und San Francisco bald grossgeschrieben
am Theatereingang stand.
Und sosehr dies alles mit Music Hall zu tun hatte,
so öffnete sich hier für Chaplin doch die Tür zum Film. Nicht nur,
dass er seinen Bühnenhit in A Night in the Show 1915
selbst verfilmen sollte, irgendwie hatte zuvor schon der Umstand,
wie er selbst zum Film Zugang fand, mit dieser Rolle des
Betrunkenen zu tun.
Denn damals in New York, als A Night in an English
Music Hall im American Theatre gegeben wurde, sass in einer
der Vorstellungen Mack Sennett, bald ein Grossproduzent
von Slapstick Comedies, der Chaplin nach Los Angeles
holen sollte.
Entfesseltes Kino
Mit A Night in the Show, diesem Rückgriff auf seinen
Bühnenerfolg, gelang Chaplin eine Filmkomödie, die auch
als Selbstzitat einmalig war.
Erstmals griff er hier ausdrücklich auf seine Vergangenheit
in der Music Hall zurück, indem er sich jenen Sketch
vornahm, mit dem er bei Fred Karno so gross herausgekommen
war, Mumming Birds, jenen Sketch, der in Amerika A Night
in an English Music Hall geheissen hatte.
Der Zweiakter nun, in welchem er dieses Theater im Theater
in entfesseltes Kino verwandelte, war ungleich mehr
als eine Plünderung der eigenen Wurzeln und Herkunft; als Film
war er zugleich eine irrwitzige Abrechnung mit der Welt
der Music Hall.
Chaplin sehen wir hier in einer Doppelrolle, als Mr. Pest und
Mr. Rowdy, die beide Besucher eines Variététheaters
sind, der eine unter den besseren Leuten im Parkett, der andere
im Volk auf der Galerie.
Sein Platz
Als Betrunkener, mit weisser Fliege elegant im Frack
gekleidet, tritt Chaplin als richtig ekliger Kerl in Erscheinung,
ein Mr. Pest, der zu spät ins Theater kommt. Gleich
am Anfang gibt es Ärger mit der Platzierung.
Charlie und sein Platz im Zuschauerraum, das ist eine
Nummer für sich. Wo er sich auch hinsetzt, die Umgebung passt
ihm nicht. Musiker, Platznachbarinnen, fette Nachbarn,
überall gibt‘s Krach.
Einer Zuschauerin, die ihm missfällt, applaudiert er mit
grimmiger Miene, nachdem er den Platz neben ihr
geräumt hat. Und einmal, sich in der Parkettreihe mit einem
Mädchen auf einen Flirt einlassend, ergreift er statt
ihrer Hand zufälligerweise die ihres Begleiters.
Doppelrolle
Mit den Artisten wird während der Vorstellung übel
umgesprungen. Einen Teller mit Rahmdessert drückt Charlie
ins Gesicht eines kleinen, talentlosen Sängers auf der Bühne.
Er verdeckt es gar nicht, er zeigt es offen, dass er der
Stunkmacher ist, der es darauf anlegt, von der Loge
aus, in der er nun gelandet ist, ordentlich Krach zu schlagen,
in seiner Betrunkenheit zu allem entschlossen, auch
im Umgang mit den Artisten, zu denen er auf die Bühne steigt.
Während also Mr. Pest, der feine Herr, zu verstehen gibt,
dass er des faden Genusses solcher Spektakel überdrüssig ist, gestikuliert von der Galerie herunter Mr. Rowdy, sein
proletarisches Ebenbild, besoffen, grölend, allerhand Zeug
auf die Bühne werfend und dauernd in Gefahr, über den
Balkon, die Balustrade, herunterzufallen.
Das Double im Kontrast der Klassen: der eine arriviert,
der andere verlumpt. Und als zum Schluss ein Feuerschlucker
sich auf der Bühne produzieren will, ist Mr. Rowdy gleich
mit dem Spritzenschlauch zur Stelle, mit dem er von der Galerie
herunter die Flammen löscht und auch die Abendtoiletten
im Parkett tüchtig abspritzt.
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