Twenty Minutes of Love at the Empress, Daily Missoulian, 1914
ACHTUNG! AUFNAHME! 10/14
Twenty Minutes of Love – Liebeshändel im Park.
Es kommt zu einer Rangelei am nahen
Teich, ein Polizist mischt sich ein. Alle gehen baden,
nur Charlie und das Mädchen nicht, mit
dem er sich am Schluss davonmacht. Clippings
Fritz Hirzel, Chaplins Schatten.
Bericht einer Spurensicherung. Zürich 1982
Um Flirts, Geschäker, Verwirrungen der Liebe, die in einer wüsten Keilerei ausgehen, dreht es sich auch in Twenty Minutes
of Love mit seinen amourösen Abenteuern und Verwicklungen,
die sich wie immer in einem Park abspielen.
Wie man ein Mädchen erobert. Von nichts anderem handeln
diese Männergeschichten, die sich als Frauengeschichten
ausgeben. Charlie, einsam, sieht ein Liebespaar, und
da er niemanden hat, dem er seine Zärtlichkeit zuwenden
könnte, umarmt er einen Baum!
Endlich sieht er ein Mädchen, sie sitzt alleingelassen auf
einer Bank, weil ihr Begleiter gerade einen Eingeschlafenen um
dessen Uhr erleichtert. Charlie nutzt, was er für seine Chance
hält, setzt sich zur Wartenden auf die Bank und nimmt sich ihrer an.
Gleich gibt es Händel, bei denen es um die Uhr geht,
um das Mädchen auch. Die Besitzverhältnisse werden, so archaisch
sind im Slapstick die Sitten, mit Fusstritten geklärt. Es kommt
zu einer Rangelei am nahen Teich, auch Polizisten mischen sich ein.
Alle gehen baden, nur Charlie und das Mädchen nicht,
mit dem er sich am Schluss davonmacht.
Fritz Hirzel, Notiz I, 2011
„A laughing seaside comedy“, „an uproarious ,Cop‘ picture“,
„a natural comedy“ – so steht das in der Keystone Werbung. Und
hier folgt „a farce comedy“ im Park.
Location? Westlake Park, L. A. Das ist die erste,
von Chaplin selbst gewählte Bühne im Film. „Ich brauche,
um eine Komödie zu machen, nichts weiter als einen
Park, einen Polizisten und ein hübsches Mädchen“, sagt er
in My Autobiography zu Mack Sennett.
Es ist dann doch ein bisschen mehr gewesen. Und was
er seinem Vorgesetzten entgegenhält, das sind drei
Markenzeichen von Keystone. Park, Polizist, hübsches Mädchen.
My Autobiography ist 1964 erschienen. Erinnerung.
Direkte Rede. Ein halbes Jahrhundert später.
Twenty Minutes of Love ist der erste Film, in dem Chaplin
Regie oder Koregie führt. Über den einzig in diesem
Film mit ihm genannten Joseph Maddern ist auf Anhieb wenig
mehr herauszubekommen, als dass er seinen Hintergrund
ebenfalls in der Music Hall hat.
Chaplin hat im ersten Vierteljahr bei Keystone auf
von Autos und Tramzügen befahrenen Strassen in L. A. schon
gedreht, bei einem Seifenkistenrennen in Venice, im
Westlake Park, am Abbott Kinney Pier in der Venice Dance Hall,
beim Vanderbilt Cup Autorennen in Santa Monica.
Für das Regiedebüt schlägt er den Westlake Park vor.
Das ist ein bei Keystone beliebter Drehplatz. Ein
kostengünstiger dazu. Das Filmgeschehen nutzt Bänke,
Promenaden, Erfrischungsstand und zum Finale
den Parksee Echo Lake.
Der Mann, mit dem Chaplin, als er bei Keystone
beginnt, sich sofort überworfen hat, ist Regisseur in vier seiner
ersten fünf Filme gewesen, Henry „Pathé“ Lehrman.
Im Februar hat er die Factory mit Ford Sterling verlassen, im
Mai die Sterling Company.
Ein Kotzbrocken. Jetzt ist er weg, und Chaplin will
in den Westlake Park, wo er mit Lehrman und Sterling zuletzt
gedreht hat, in Between Showers. Hat er den Ort gar
nicht in so schlechter Erinnerung? Will er zeigen, was dort
abgeht, wenn er bestimmt?
Farce Comedy in Eigenregie. Er hat sie, sagt Chaplin,
in einem halben Tag abgedreht. Der Park, die Bühne, Hollywood
unter freiem Himmel. Es gibt ein Remake. In the Park
heisst der Film 1915, da ist Chaplin schon bei Essanay, nicht
mehr bei Keystone.
Park Farce. Da passt er hin. Der Tramp, die Kinofigur,
mit der Chaplin im Ersten Weltkrieg so populär wird. 1921 aber,
als er das erste Mal nach London zurückkehrt, hat er den
Park in schlechter Erinnerung. Er stört fast auf der Suche nach
der verlorenen Zeit in South London.
In My Trip Abroad heisst es 1922: „Der Wagen fährt
Kennington Road hinauf bis zum Kennington Park. Traurig wie
alle Parks in ihrer Einsamkeit. Man geht ja nur in Parks,
wenn man einsam ist. Und Einsamkeit ist traurig. Das Symbol
der Traurigkeit ist für mich ein Park.“
Fritz Hirzel, Notiz II, 2011
Es ist diese turbulente, kleine Parkgeschichte, an die
Chaplin sich erinnert, als er in My Autobiography auf den Einfluss
der Musik bei der Film- und Dreharbeit hinweist.
„Einfache kleine Melodien gaben mir die Idee zu anderen
Komödien. In einer, Twenty Minutes of Love genannt und voll von rohem Zeug und Nonsense in Parks, mit Polizisten und
Dienstmädchen, schlängelte ich mich zur Melodie von Too Much
Mustard, einem populären Twostep von 1914, in Situationen
rein und aus ihnen raus.“
Das ist Chaplins elfter Film bei Keystone, aber es ist
alles schon da. Die Musik, die ihn zu einem Film anregt und
am Set eine Stimmung erzeugt. Too Much Mustard hat
Chaplin bei Twenty Minutes of Love inspiriert.
1917 installiert er ein Orchester en miniature am Set.
Das spielt die zärtlich-wehmütige Melodie von Mrs Groundy um
die Szenen in The Immigrant bei der Dreharbeit mit
Stimmung zu imprägnieren.
Twenty Minutes of Love Clippingss