as Cover Girl in Photoplay, Dec. 1925
THE GOLD RUSH 7/7
Zu Weihnachten – Titel der Story, die Photoplay
im August 1925 veröffentlicht: Das Mädchen mit dem gebrochenen Knöchel. Jim Tully, Ex-Presseagent
bei Chaplin, erzählt von Georgia Hale. Zu Weihnachten
ist sie dann Photoplay Cover Girl.
Jim Tully, Das Mädchen mit dem gebrochenen Knöchel,
Photoplay, August 1925
Das ist die Geschichte eines Mädchens, das in Chicago eine Schönheitskonkurrenz gewonnen hat. Sie kam nach Hollywood mit grossen Hoffnungen – allein. So beginnt unsere Geschichte
von Georgia Hale, einem sehr schön aussehenden Mädchen, geradewegs aus einer High School in Chicago und ohne einen Job.
Sie hatte sich unwissentlich dem Verband der Unsterblichen
im Film zugesellt, welche die Casting Directors aussortiert hatten.
Das war vor zwei Jahren. Es ist keine lange Zeitperiode.
Unbekannt anzufangen und in dieser Periode Charlie Chaplins
Leading Lady zu werden ist eine Notiz wert. Georgia Hale
wird heute als eine der besten Schauspielerinnen der Leinwand
gefeiert. Und natürlich hat es das für sie nur noch härter
gemacht. In keinem anderen Business der Welt ist Talent ein
solches Handicap. Sie hat in vier Filmen gespielt – in zwei
davon als ein Extra, als Hausdarstellerin in den zwei anderen. Ihre
Arbeit im letzten Film, Charlie Chaplins The Gold Rush, wird
sie weltberühmt machen. Georgia hat gerade einen Zwei-Jahres-
Vertrag mit Charlie Chaplin unterzeichnet. Die New Yorker
Schriftsteller mit Sprossenleitern in ihren Dickschädeln und
die blühenden französischen Literaten sind glatt aus dem Häuschen,
wenn sie über Charlie schreiben. In einer Sache ist er absolut
grossartig – und ich schreibe das als einer, der achtzehn Monate
auf seiner Lohnliste gestanden hat – wenn es um Filme geht,
steht er nahezu allein da, mit einem Touch von Genie.
Jetzt zur Story.
Rupert Hughes machte für Goldwyn True as Steel zu der Zeit,
als sie nach Hollywood kam. Er gab sich ernsthaft Mühe
Georgia zu besetzen und machte eine Testaufnahme mit ihr,
über hundert Filmmeter. Georgia wartete zwei Wochen und blickte
durch manch einen Pfannkuchen hindurch während des
Wartens, denn ich vergass zu sagen, dass sie mit dreissig Dollar
an Geld in Hollywood gelandet war – der Rest ist Glauben.
Nach einer zermürbenden Zeit wurde ihr mitgeteilt, sie sei „für die
Rolle ungeeignet”.
Sie klapperte die Studios ab, Tag für Tag und Woche für
Woche. Eine Pensionswirtin glaubte an sie, wie Pensionswirtinnen
das manchmal tun – wo würden Poeten sonst schlafen?
Georgia besass jede Menge Geld für ein High School Girl und
nach einer Weile erhielt sie eine Rolle im Chorus von Vanity´s Price. Sie war darüber so aufgeregt, dass sie sich ihren Knöchel brach.
Das ist für Mädchen mit gebrochenen Knöcheln jetzt
eine traurige Zeit – in Hollywood Die Pensionswirtin glaubte noch
immer an sie. Georgia schrieb aufmunternde Briefe an ihre
Eltern in Chicago und irgendwie stand sie es durch. Jene Wochen
mit dem gebrochenen Knöchel bedeuteten für Georgia mehr,
als ihr zu der Zeit bewusst war. Sie hat einen guten Verstand, und
sie hat ihn in den beschwerlichen Tagen zum Nachdenken
gebraucht und ihr ist kaum in den Sinn gekommen, sie würde ein
Filmstar werden.
Kurze Zeit, nachdem sie wieder gehen konnte, ging sie
zum Bahnhof und fragte nach dem Fahrpreis nach Chicago. Sie
ging auf den Wendepunkt ihres Lebens zu – aber wie soll
man das wissen?
Zufällig traf sie einen jungen österreichischen Regisseur,
der ebenfalls auf der Suche nach dem Wendepunkt seines Lebens
war. Er war da kein Regisseur, gelegentlich aber Regieassistent
und ein so begabter Kameramann, dass er ohne Job war.
Sein Name war Josef von Sternberg. Er sah Georgia in Vanity´s
Price ihr Zeug machen und er spürte, sie hatte Talent.
Als sie ihm am Bahnhof erzählte, sie sei müde sei und versuche
heimzukommen, da war er überzeugt, sie hatte viel mehr
als Talent. Er sah sich zu der Zeit nach Schauspielern um, die um
Ruhmes willen arbeiten wollten, denn er war an einem Film,
der die grosse Summe von 4500 Dollar kosten sollte – Labor, Studiomiete und alles. Wenn man bedenkt, dass Milton
Sills für diese Summe mit einem Produzenten nicht einmal über
Schopenhauer diskutieren wird, macht das Sternbergs
Problem anschaulicher.
„Es war wunderbar”, sagte ich, „dass Jo dein Talent
erkannte und bereit war dir eine Chance als seine Hauptdarstellerin
zu geben.“
„Nun”, antwortete Georgia, „ich war bereit für nichts
zu arbeiten.”
Dort, am Bahnhof, der aus Österreich Hergetriebene
und die aus Chicago Hergetriebene – ahnungslos bestiegen sie ein
Pferd, das sie zu Ruhm und Vermögen führte. Georgia
wurde die Hauptdarstellerin in Sternbergs Salvation Hunters.
Ich sah den Film viermal – einmal mit Charlie Chaplin. Georgias Darstellung darin ist eine der schönsten, die ich je gesehen habe.
Ich sah in jener Nacht den realen Chaplin, wie er diesem Mädchen
bei der Arbeit zusah. Ich sagte zu ihm „Sie ist besser als so und so –” und nannte eine sehr bekannte Schauspielerin. „Viel – viel
besser”, erwiderte Chaplin.
Es ist anzunehmen, dass Produzenten ihre wunderbare
Arbeit gesehen haben. Ich bin dessen sicher – denn keiner von
ihnen hat sie engagiert. Douglas Fairbanks nahm sie durch
eine Fügung von Umständen unter Vertrag – und der raffinierte
Chaplin, der seine Hauptdarstellerin neu besetzte, „liftete”
ihren Vertrag. Sie spielte die Hauptrolle in The Gold Rush. Nun hat
Chaplin – wie die meisten Männer grossem Talents – keine
Geduld mit Leuten, die Ehrgeiz, aber keine Begabung haben. Ein
schlechter Darsteller stürzt ihn in schlechte Laune, die
tagelang anhalten kann. Georgias Arbeit machte ihn glücklich. Ich schreibe das, bevor der Film gezeigt wird. Meine Vorhersage
– eine sehr grosse Schauspielerin geht die Strasse der Zeit herunter.
Sie hat Haltung, kontrolliertes Feuer, Würde, keine Affektiertheit
und ein Benehmen, wie sie einem Individuum angeboren sein
müssen. Ich denke, sie ist eine der grössten Schauspielerinnen der
Leinwand, und Chaplin denkt genauso. Er hat einen Vertrag
mit ihr abgeschlossen, und es ist eines der smartesten Dinge, die
dieser fantastische kleine Vagabund je getan hat.
Georgia Hale war dabei Rudolph Valentinos Leading Lady
zu werden. Joseph Schenck sagte zu ihr: „Sie können Kleider tragen – sie haben alles.” Chaplin sah all das zuerst – Georgia wurde
seine Leading Lady.
Georgia hat ihre Eltern lange schon nachgeholt. Sie leben
mit ihr in Hollywood.
Ich habe vergessen zu erwähnen – ihr Knöchel ist komplett ausgeheilt.
Ebenso ihre Brieftasche.
The Gold Rush Clippings
Jim Tully, The Girl with the Broken Ankle, Photoplay, August 1925