on Location; University of California Los Angeles
THE GOLD RUSH 2/7
Nevada – Los Angeles, April 1924. Das Studio,
Ecke Sunset/La Brea, in Hollywood ist verwaist. 400
Meilen nördlich, in Truckee, Nevada, dreht
Chaplin Aussenaufnahmen zu The Gold Rush.
Fritz Hirzel, The Gold Rush, TagesAnzeiger, 3. April 1969
Goldrush ist einer der schönsten Stummfilme, die Chaplin
uns hinterlässt. Er handelt von ganz elementaren
Dingen: vom Hunger, vom Esssen, vom Geld, von der Liebe.
Es ist das Alaska der Goldsucher, in das
Charlie sich aufgemacht hat. Abgerissen und verloren
stolpert er durch diese kalte Winterwelt von
Besessenen, die alle demselben Traum nachjagen: nämlich
Gold zu finden und Millionär zu werden.
Wahrhaftig ein amerikanischer Traum, der hier
zugrunde liegt. Aber Charlie müht sich nicht besonders, ihm
fällt das Gold buchstäblich in den Schoss. Und als er
auch sein Mädchen noch geprüft hat, findet das erträumte
Happy-End doch noch statt.
Was ist an dieser schäbigen Dreigroschenromanze
so Besonderes? Es ist die heitere Distanz, mit der
das alles erzählt wird. Charlie ist kein Abenteurer, er ist ein
Spaziergänger.
Naiver Spott liegt in den Gesten, mit denen er die
Illusion vom bürgerlichen Leben aufrechterhält,, wo die Menschen
schon halb zu Kannibalen geworden sind. Einmal, als
Big Jim vor Hunger zu halluzinieren anfängt, wird er für ein Huhn
gehalten und beinahe abgemurckst.
Hier kehrt sich der Humor gegen den Lachenden.
In manchen Bildern liegt jene traurige Poesie, in der die
winterlich-frostige Landschaft nur die Kälte der
menschlichen Gesellschaft umschreibt.
Das Lachen resultiert aus der Unvereinbarkeit von
Charlies heruntergekommener Gestalt und der widrigen Realität,
mit der er zurechtkommen soll. Just in dem glücklichen
Augenblick etwa, den ihm der Tanz mit Georgia einbringt, reissen
ihm die Hosenträger.
Charlie scheint dem Anspruch der Situation nicht
gewachsen und meistert sie dann doch auf eine sehr eigene Art.
Häufig lassen Chaplins Gags das Erwartete gerade
nicht eintreten. Der riesige Bär, der hinter Charlie herschleicht,
verschwindet wieder, ohne ihn anzufallen.
Die verwehte Hütte, die an einem Seil über dem Abgrund
hängt, stürzt mit ihren Bewohnern nicht in die Tiefe.
Das Mädchen, das im Saloon auf Charlie zukommt, begrüsst
einen hinter ihm stehenden Mann.
Bei der Silvesterfeier, für die er sich vorbereitet hat,
bleiben die geladenen Gäste aus. Solche Pleiten
und Enttäuschungen werden dann nur von chaplinesken
Nummern wieder aufgefangen – in der säuberlichen
Verspeisung eines Schuhes etwa oder im Brötchentanz des
sprachlosen Liebhabers.
Auch zum miesesten Zustand fällt ihm noch etwas ein:
deshalb überlebt er ihn ja auch.
The Gold Rush Clippings
Chaplins Schatten weiter zurück